Indizwirkung der Patientenakte

Der Behandlungsdokumentation kommt in Arzthaftungsprozessen häufig eine entscheidende Bedeutung zu. Gemäß § 630f BGB ist der Behandelnde verpflichtet, im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang die Behandlung entweder in Papierform oder elektronisch zu dokumentieren. Dokumentationspflichtig sind insbesondere die Anamnese, die Diagnosen, Untersuchungen und deren Ergebnisse, Befunde, Eingriffe sowie die Aufklärung des Patienten. Berichtigungen oder Änderungen sind nur dann zulässig, wenn er erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen wurden. Die Dokumentation ist für mindestens 10 Jahre aufzubewahren. Dem Patienten muss Einsicht in seine Patientenkartei gestattet werden. Unterlässt ein Behandler, eine gebotene medizinische Maßnahme zu dokumentieren, wird nach § 630h Abs. 3 BGB vermutet, dass diese nicht vorgenommen wurde.

Der Bundesgerichtshof, 05.12.2023 – VI ZR 108/21, hat nun entschieden, dass eine ordnungsgemäß geführte und zeitnah erstellte Dokumentation, bei der es keinen Anhalt für Veränderungen, Verfälschungen oder sonstige Widersprüche gibt, eine Indizwirkung dafür entfaltet, dass die dokumentierten Maßnahmen auch so vorgenommen wurden.

Diese Indizwirkung ist im Rahmen der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen. Eine derartig vertrauenswürdige Dokumentation kann somit dem Gericht die Überzeugung vermitteln, dass die dokumentierten Maßnahmen tatsächlich erfolgt sind. Der Richter darf im Rahmen seiner Beweiswürdigung der Dokumentation dann grundsätzlich Glauben schenken.

Dabei muss das Gericht aber alle vom Gegner vorgebrachten Gesichtspunkte mit in die Würdigung einbeziehen. Der Glauben an die Ordnungsmäßigkeit der Dokumentation ist dabei nicht erst dann erschüttert, wenn das Gegenteil des Dokumentierten erwiesen wurde. Es reicht, dass Umstände aufgezeigt werden, die bleibende Zweifel daran begründen, dass das Dokumentierte der Wahrheit entspricht.

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